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75 Jahre Niedersachsen - 75 Jahre Justizgeschichte – Ein Generalstaatsanwalt, der Geschichte schrieb – Auf den Spuren von Fritz Bauer

Gemeinsam mit der Justizministerin Barbara Havliza begab sich Generalstaatsanwalt Detlev Rust am 19. Oktober 2021 im Rahmen der vom Justizministerium initiierten Veranstaltungsreihe „75 Jahre Niedersachsen, 75 Jahre Justizgeschichte“ mit interessierten Bürgerinnen und Bürgern auf die Spuren des früheren Generalstaatsanwalts Fritz Bauer, der durch sein Wirken in Braunschweig in den Jahren 1950 bis 1956 als mutiger, aufklärerischer Nachkriegsjurist und besonders durch den viel beachteten Prozess gegen Otto Ernst Remer Justizgeschichte schrieb. Die Spuren von Fritz Bauer führten die Ministerin und den heutigen Generalstaatsanwalt, fachlich begleitet von dem renommierten Historiker Prof. Dr. h.c. Gerd Biegel, zu insgesamt vier Erinnerungsorten in Braunschweig, an denen das Leben und Wirken von Fritz Bauer illustriert wurden.

Die erste Station trägt bereits seit vielen Jahren den Namen des Juristen: Der Platz vor dem Eingang der Generalstaatsanwaltschaft heißt seit 2012 Fritz-Bauer-Platz. Hier wirkte Fritz Bauer von 1950 bis 1956 als Generalstaatsanwalt. Auch der Bau der Generalstaatsanwaltschaft ging auf seine Initiative zurück. Fritz Bauer hat die Gestaltung des 1956 fertiggestellten Gebäudes maßgeblich beeinflusst, an dessen Wand sichtbar Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland verewigt wurde: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

Fritz Bauer hat auch an der künstlerischen Außengestaltung des Gebäudes mitgewirkt, an dem eine symbolisierte Figur der „Justitia“ ohne die klassischen Attribute, wie Waage, Schwert und Augenbinde, angebracht wurde. Die Figur, gestaltet durch den Braunschweiger Bildhauer Bodo Kampmann, verkörpert selbst eine Waage, ohne Schwert und Augenbinde, und auf ihre Weise ein empathisches Richter- und Menschenbild.

Ein weiterer Erinnerungsort war das ehemalige Wohnhaus Fritz Bauers in der Jasperallee 27, vor dem heute eine Gedenktafel seinen Lebensweg skizziert. Der überzeugte Demokrat Fritz Bauer, der vor dem zweiten Weltkrieg nach Dänemark und 1943 weiter nach Schweden emigrierte, trat mit seiner Rückkehr nach Deutschland in 1949 erneut in den Justizdienst ein und wurde 1950 zum Generalstaatsanwalt ernannt. In dieser Phase begann Fritz Bauer, sich hartnäckig für die konsequente strafrechtliche Verfolgung nationalsozialistischen Unrechts einzusetzen. Er trat damit gleichzeitig für die Opfer des NS-Regimes und mit dem sogenannten Remer-Prozess für die uneingeschränkte Rehabilitation der Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944 ein.

An diesen unbeugsamen Geist Fritz Bauers wurde am dritten Ort, der Gedenkstätte des KZ-Außenlagers in der Schillstraße, bei der eine Gedenktafel für Fritz Bauer angebracht ist, lebendig erinnert durch den Gedenkstättenleiter Frank Ehrhardt.

Als viertem und abschließenden Erinnerungsort wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, begrüßt von Frau Präsidentin des Landgerichts Moll-Vogel, in den heutigen Schwurgerichtsaal des Landgerichts Braunschweig eingeladen, in dem Fritz Bauer im März 1952 als leidenschaftlicher Ankläger im Remer-Prozess aufgetreten war.


Fritz Bauers vorderstes Anliegen war es, in diesem Prozess durch den Richterspruch eines demokratischen, unabhängigen Gerichts festgestellt zu sehen, dass das nationalsozialistische Regime ein Unrechtsstaat war, der jedermann zur Notwehr berechtigte. Mit der Verurteilung Remers, der die Männer des 20. Juli verunglimpft hatte, indem er sie Hoch- und Landesverräter hieß, wurde dies erreicht. Es wurde deutlich, dass „Hochverrat“ eine legale Rechtsordnung voraussetzt, die es im sogenannten Dritten Reich nicht gab. In der Beweisaufnahme, in der auch namhafte Theologen als Sachverständige zu Wort gekommen waren, und in Fritz Bauers Plädoyer wurde seinerzeit herausgearbeitet, dass die eidliche Verpflichtung eines Soldaten zum unbedingten Gehorsam gegenüber einem Menschen unsittlich und nach christlicher Kultur nur gegenüber Gott verbindlich ist. Die moral-theologischen Aspekte verdeutlichte dabei im Rahmen der Veranstaltung der für den NDR tätige Journalist Hans Stallmach in beeindruckender Weise, der zu seinem Impulsvortrag auch Original-Hörproben aus der damaligen Verhandlung im Landgericht Braunschweig von 1952 einspielte.

Generalstaatsanwalt Rust würdigte Fritz Bauer in dessen vorbildgebenden Anliegen: „Fritz Bauer hat sich um die klare und deutliche Festschreibung des NS-Regimes als Unrechtsstaat und die konsequente Verfolgung von nationalsozialistischen Verbrechen verdient gemacht. Er tat dies in einer Weise, die Signalwirkung über die Braunschweiger Justizgeschichte hinaus in das ganze Land hatte. Es folgten diesem wegweisenden Signal die Frankfurter Auschwitz-Prozesse. Wir sind froh und dankbar, heute diesen klugen und beharrlichen Braunschweiger Nachkriegsjuristen auf so besondere Weise würdigen und sein Wirken in Erinnerung halten zu können.“

Die Presseinformation des Niedersächsischen Justizministeriums zu der Veranstaltung vom 19.10.2021 findet sich auf der Webseite des Niedersächsischen Justizministeriums:

https://www.mj.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/presseinformationen/auf-den-spuren-von-fritz-bauer-in-braunschweig-205162.html



Fritz Bauer, Generalstaatsanwalt, Justizgeschichte, 75 Jahre Niedersachsen   Bildrechte: Generalstaatsanwaltschaft Braunschweig
Fritz Bauer, Generalstaatsanwalt, Justizgeschichte, 75 Jahre Niedersachsen   Bildrechte: Generalstaatsanwaltschaft Braunschweig
Fritz Bauer; 75 Jahre Niedersachsen, Generalstaatsanwalt   Bildrechte: Generalstaatsanwaltschaft Braunschweig

Frau Justizministerin Havliza mit (v.l.n.r.) Hr. Noske, Hr. Prof. Dr. Biegel, Hr. Stallmach, Fr. Moll-Vogel, Hr. Rust

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