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Justiz im Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern - Handlungsfähige und effektive Justiz am Beispiel des beschleunigten Strafverfahrens



Am 25. September 2019 fanden sich auf Einladung von Generalstaatsanwaltschaft Braunschweig und Braunschweiger Zeitung rund 150 Gäste im Amtsgericht Braunschweig zu der Veranstaltung „Justiz im Dialog mit Bürgerinnen und Bürgern“ ein. Es ging um „Das beschleunigte Strafverfahren – Wenn die Strafe der Tat auf dem Fuße folgt.“

Neben Bürgerinnen und Bürgern der Region, die über das Leserforum der Braunschweiger Zeitung eingeladen wurden, waren unter den Gästen hochrangige Vertreter aus Politik, Justiz, Polizei und Verwaltung. Sie informierten sich bei einer szenischen Darstellung eines Verfahrens vor dem Strafrichter - einem fiktiven Fall eines Ladendiebstahls -, in dem der Staatsanwalt den Antrag auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren stellt, über die rechtlichen Rahmenbedingungen eines solchen Verfahrens. Einen einfachen Sachverhalt oder eine klare Beweislage setzt es voraus. Teilweise liegen zwischen der Tat und dem Urteil nur 24 Stunden.

In einer vom Chefredakteur Armin Maus moderierten Podiumsdiskussion sprachen die niedersächsische Justizministerin Barbara Havliza, der Generalstaatsanwalt Detlev Rust, der Präsident des Oberlandesgerichts Wolfgang Scheibel, die Leitende Oberstaatsanwältin Katrin Ballnus, der Präsident des Amtsgerichts Ingo Groß, der Rechtsanwalt Dr. Peter Beer und die Redakteurin Bettina Thoenes von der Braunschweiger Zeitung dann über Chancen und Grenzen des beschleunigten Verfahrens.

In welchen Konstellationen kommt es überhaupt nur in Betracht? Wie lassen sich die Verkürzung des Strafverfahrens und die Beschuldigtenrechte, insbesondere das Recht auf Verteidigung, in Einklang bringen? Hat ein solches schnelleres Verfahren eine präventive, also abschreckende Wirkung, und erhöht es das Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung?

Darüber wurde intensiv mit vielen Fragen der Zuhörer diskutiert.

Als ein gutes Zeichen für eine handlungsfähige, effektive Justiz und einen starken Rechtsstaat bezeichnet die niedersächsische Justizministerin Barbara Havliza den vermehrten Einsatz beschleunigter Verfahren. Dafür setzt sie sich seit ihrem Amtseintritt mit Nachdruck ein. „Schnelle gerichtliche Entscheidungen bedeuten auch immer, dass alle Prozessbeteiligten – vom Opfer bis zum Gericht – zeitnah mit dem Geschehen abschließen können. Ich halte das beschleunigte Verfahren für eine gute Möglichkeit, insbesondere im Bereich der Kleinkriminalität, schnell und angemessen zu reagieren“, so Ministerin Havliza.

Generalstaatsanwalt Detlev Rust unterstrich: „Es ist mir ein Anliegen, jegliche Art von Kriminalität mit den dafür geeigneten Instrumenten zu bekämpfen und dies auch deutlich zu machen. Deshalb bin ich über das große Interesse der Öffentlichkeit am Anwendungsbereich des beschleunigten Verfahrens zur effizienten Verfolgung von Straftaten hoch erfreut.“

Der Ministerin und den Beteiligten aus Gericht und Staatsanwaltschaft war dabei eine Botschaft besonders wichtig: Zwar ändere sich beim beschleunigten Verfahren der strafprozessuale und organisatorische Rahmen, nicht aber die Sorgfalt bei der Wahrheitserforschung und der Tiefgang der juristischen Bewertung.

Hintergrund

Das beschleunigte Verfahren ist eine besondere Verfahrensart der Strafprozessordnung, geregelt in §§ 417ff. StPO, das bereits vor rund 25 Jahren mit dem Verbrechensbekämpfungsgesetz vom 28. Oktober 1994 durch den Gesetzgeber im Wesentlichen so ausgestaltet worden ist, wie es heute zur Anwendung kommt.

Für die Antragstellung im beschleunigten Verfahren bedarf es keiner Anklageschrift, es genügt ein schriftlicher oder sogar mündlicher Antrag auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren. Wenn sich die Sache zur Verhandlung im beschleunigten Verfahren eignet, wird die Hauptverhandlung sofort oder in kurzer Frist durchgeführt, ohne dass es vorab einer gesonderten Entscheidung des Gerichts über die Eröffnung des Hauptverfahrens bedarf.

Der Strafrichter oder das Schöffengericht haben nach dem Willen des Gesetzgebers eine gegenüber dem Normalverfahren eingeschränkte Rechtsfolgenkompetenz. Im beschleunigten Verfahren darf bspw. keine Freiheitsstrafe von mehr als 1 Jahr verhängt werden. Ist eine Freiheitsstrafe von mindestens 6 Monaten zu erwarten, wird dem Beschuldigten, der noch keinen Verteidiger hat, für das beschleunigte Verfahren vor dem Amtsgericht ein Verteidiger bestellt.

In Niedersachsen wird die verstärkte Anwendung des Verfahrens insbesondere bei reisenden Tätern bzw. solchen ohne festen Wohnsitz, die für die Strafverfolgungsbehörden im Normalverfahren nur schwer oder gar nicht mehr erreichbar wären, seit einigen Jahren vorangetrieben, in der Braunschweiger Justiz intensiv – auch mit Ausweitung der personellen Ressourcen bei Staatsanwaltschaft und Gericht – seit Anfang des Jahres 2019.








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